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Martin Seeliger ist saxophonist, flötist, didgeridoospieler, oboist, komponist, arrangeur und bandleader. er arbeitet an der Musikschule Grünwald und lehrt freiberuflich.
musik - die positive magie der freude
Interview mit Martin Seeliger im Januar 2009
von Preetam G. Hermeler





Der Ganzheitliche Weg als Musiker…

Preetam: Martin, du spielst in verschiedenen musikalischen Formationen.
Diese Formationen sind sehr unterschiedlicher Natur und decken ein weites Feld ab. Das drückt sich sowohl in den Stilrichtungen (Jazz, Weltmusik, Tribal Musik, Gospel, African Music, Blues etc. ) als auch der großen Instrumentenvielfalt aus.
Wie würdest du dich als Musiker definieren?

M. Seeliger: Ständig in Bewegung, ständig in Entwicklung, ständig im Weiterlernen und im Ausbreiten in dem was ich tue. Früher hab ich gedacht, dass mich diese Vielfalt eher behindert, inzwischen wächst das immer mehr zu einem runden Ganzen zusammen. Wie in einem Puzzle setzen sich Schritt für Schritt die einzelnen Teilchen zu einem Gesamtbild zusammen, was mich interessiert, was ich selber höre, was ich umsetzen möchte an Klangvielfalt wird langsam zu meinem eigenen Ganzen. Die stilistische Einordnung eines Musikers hat fast immer kommerzielle Gründe. Die Musik sollte immer mehr eine Sprache entwickeln, die jenseits dieser Stile ist. Das ist auch mein Interesse. Als ich Jazz studierte, habe ich eine Zeit lang gedacht: „Ja, ich bin jetzt Jazzmusiker“, musste dann aber feststellen, das mich das total einengt und mich auch nicht interessiert, weil es auch im Jazz bestimmte Qualitäten nicht gibt oder selten gibt, und die suche ich mir dann in anderen Musikarten.

Preetam: Kannst du uns etwas über die Entwicklung deines individuellen Sounds erzählen, und in diesem Zusammenhang auch über dein Equipment reden.
Welche Instrumente du spielst und welche Mundstücke du benutzt.

M. Seeliger: Soundarbeit ist ein sehr langer Prozess und ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt Leute die relativ früh ihren eigenen Sound finden und dann auch dabei bleiben und lange unverwechselbar klingen. Bei mir ist es eine lange Soundentwicklung, ich habe irgendwann festgestellt, dass mich im Sound die Balance interessiert. Man kann das mit dem Yin Yang Symbol gut ausdrücken: eine Balance zwischen hell, klar, schneidend, scharf - und warm, weich, dunkel. Wenn das für mich ausbalanciert ist, dann fühl ich mich wohl und dementsprechend habe ich auch ein Equipment bei meinen Instrumenten gewählt, dass mir diese Möglichkeit gibt, sprich:
Bei meinen Saxophonen (bis auf mein Sopran) spiele ich alte Conn Instrumente, die in der Klangvielfalt sehr stark sind, die man sehr kraftvoll spielen kann ohne dass sie zu penetrant und scharf werden. Dazu braucht es entsprechende Mundstücke, die das eher Weiche und Warme der Conn Instrumente bündeln und heller und schärfer machen. Beim Sopran ist es etwas anders, da ist in der Saxophonentwicklung am meisten passiert, die modernen Sopranos sind einfach deutlich besser als die alten.
Bei den Flöten ist es ähnlich wie bei den Saxophonen dort spiele ich auch lieber alte Instrumente.
Generell hat m.E. der eigene Sound viel mit der eigenen Stimme zu tun. Ich glaube als Bläser ist man eigentlich auf der Suche nach einem stimmlichen Klang auf dem Instrument. Dazu kann ich nur empfehlen, dass jeder seine eigene Stimme auch entwickelt, sprich - singt. Das größte Kompliment, dass man jemanden im Klangbereich machen kann, ist „er singt auf dem Instrument“.

Preetam: Was beschäftigt dich aktuell in deinem persönlichen musikalischen Prozess?

M. Seeliger: Hm, eine Balance zu finden zwischen Einfachheit und Komplexität. Der Jazz ist für mich häufig eine sehr komplexe Musik wo man sehr viel Wissen und können muss, und da geht manchmal die Einfachheit und das Feeling verloren. Für mich ist es sehr spannend die Wurzeln des Jazz zu verstehen. Ich beschäftige mich seit Jahren schon intensiv mit dem Thema Blues weil er eine Musik ist, die mich schon immer sehr berührt hat. Generell beschäftigt mich auch das Thema „Boden unter den Füßen“ für Musiker.
Gerade in der heutigen Zeit mit der Fülle an Informationen, der Fülle der Ereignisse und der Beschleunigung des Lebens verliert man sehr schnell den Boden unter den Füßen. Es ist sehr wichtig ein Grundfeeling zu entwickeln für die Musik, dass wir in unserem Körper zu Hause sind und aus diesem Körperfeeling heraus diese Musik gestalten. Das spüre ich oft in Blues oder Roots Musik. Das eigentlich große Abenteuer, das wir Menschen hier bisher noch null gelöst haben, ist die Erforschung der Seele. Wir haben noch nicht verstanden welche Grundvoraussetzungen unsere Seele braucht. Das sind so die Grundthemen die mich in der Musik interessieren.

Preetam: Welche Eindrücke, Quellen und Inspirationen haben zur Zeit starken Einfluss auf deine Musik?

M. Seeliger: Quellen, das spielt in die vorige Frage, ist sehr stark der Blues, Rootsmusik, afrikanische Stile, ich arbeite hier auch mit afrikanischen Musikern zusammen, arabischen Musikern und Musikern aus anderen Kulturen.
Es gibt Musiker wie Pharao Sanders die mich z. Zt. wieder sehr inspirieren, wie sie spielen - mit welcher Power und Direktheit. Improvisierende Musiker aus anderen Stilrichtungen. Also da gibt es eine ganz große Vielfalt. Je nachdem welche Qualitäten ich in mir selber stärken möchte, wähle ich das heraus, was mich unterstützt.

Preetam: Was hat dir die Zeit in den USA und insbesondere die Ausbildung bei Yusef Lateef gebracht. Steht ihr noch in Kontakt?

M. Seeliger:
Ich bin zu Yusef Lateef gegangen, als ich bereits als professioneller Musiker gearbeitet habe. Ich hab mich immer dafür interessiert welche Menschen hinter den Klängen stehen. Ich spürte bei ihm eine große Persönlichkeit, und bin sehr bestätigt worden, als ich ihn dann traff.
Yusef Lateef ist ein wirklicher musikalischer Meister, der gleichzeitig sehr im Leben steht und eine tiefe Menschlichkeit verströmt, was man in seinen Klängen auch hört. Der seine Spiritualität auch lebt, der sie vermittelt und weitergibt und ein ungeheures Wissen hat über die Musik. Er hat mir sehr direkt einen Zugang zu seinem Wissen vermittelt, hat mir immer Antworten auf Fragen gegeben, hat mir alle Türen geöffnet um in der Musik weiterzukommen. Jede Stunde bei ihm war ein Stück weiter emporgehoben werden.
In erster Linie war es einfach der tiefe direkte Kontakt zu einem der ganz großen Meister in dieser Musik, der mich beeindruckt hat, und von dem ich sehr profitiere - auch heute noch. Der Kern von dem, was Yusef mir beigebracht hat, ist, dass ich ständig weiß an was ich arbeiten kann, weil er mir gezeigt hat wie ich arbeiten kann, d.h. ich kann mir meine Sachen selber entwickeln. Es gibt genug zu tun, und man fängt an diese Möglichkeiten selbständig zu entwickeln.
Wir stehen heute noch in Kontakt miteinander ich rufe ihn immer mal wieder an und frag ihn wies ihm geht. Er ist weiterhin am Arbeiten, veröffentlicht CDs und gibt Konzerte.

Preetam: An welches Erlebnis in deiner musikalischen Laufbahn erinnerst Du dich besonders gerne zurück?

M. Seeliger: Da gibt es viele Dinge. Ich arbeite ja auch als Komponist, d.h. ich schreibe Stücke und es gibt die Momente wo einem Songs einfallen, die sehr spannend sind. Ich hab einen Song mal komplett geträumt. Ich habe von meiner damaligen Band geträumt und das anfängliche Chaos wich immer mehr einem klaren Song und dann hab ich diesen Song geträumt, bin dann mitten in der Nacht aufgestanden hab ihn aufgeschrieben und am nächsten Morgen lag dieser Song komplett auf meinem Klavier. Wie die verschiedenen Songs, die ich umsetzen möchte, auf diesen Planeten kommen, das finde ich sehr spannend.

Preetam: In einem früheren Gespräch hast du vom ganzheitlichen Weg als Musiker gesprochen. Was heißt das für dich?

M. Seeliger: Ich glaube dass die Musik ein Ausdruck des Lebens ist, sprich, so wie man lebt wird man auch spielen. Ich habe bei Yusef Lateef miterlebt wie bewusst er sein Leben lebt und gestaltet, oder von Abdullah Ibrahim gehört, der in Workshops ganzheitliche Seminare gibt, wo er zum Weg des Musikers dazuzählt wie man sich ernährt, wie man sich bewegt, wie man seinen Körper kennt, mit was man sich geistig und seelisch auseinandersetzt. Ich glaube auch wirklich das ist ein ganzheitlicher Weg, und das wir da auch noch viele Dinge nicht verstanden haben. Je mehr ich alle Ebenen verbinde und ganzheitlich zusammensetze, umso authentischer werden auch die Aussagen auf meinen Instrumenten. Deshalb interessiert es mich ganzheitlich zu Leben und alle Bereiche auf meine Musik zu beziehen, und das auch zu vermitteln.

Preetam: Im Rahmen deiner Lehrtätigkeit schöpfst du aus deinen langjährigen und umfangreichen Erfahrungen als Live Musiker und gibst diese in Form vieler kleiner Erlebnisse und Zitate weiter.
Was ist dir als Lehrer am Wichtigsten in der heutigen Zeit. Was möchtest du den „neuen“ Musikern vermitteln?

M. Seeliger: Ein Gefühl für sich selbst und das eigene Potential. Häufig besteht Unterricht bei uns noch daraus den Schüler auf einem Mangel hinzuweisen.
Mein grundsätzliches Interesse als Lehrer gilt dem, das ich den Schüler darauf hinweisen möchte, welches unendliche Potential er in sich hat und wie er daran kommt. Das ist die Grundintention meines Unterrichts auf allen Ebenen. Ob es dahin geht zu zeigen wie man richtig atmet, wie man richtig steht, wo der Schwerpunkt sitzt oder wie man klare Denkstrukturen auf dem Instrument umsetzen kann, oder an sein eigenes Feeling heran kommt. Mein Interesse ganz grundsätzlich heißt: „Wecken des eigenen Potentials“.

Preetam: Du bist im Moment im Studio mit dem Abschluss deiner neuen CD „Remember your dreams“ busy. Magst Du uns ein wenig von der Musik und den Musikern auf diesem neuen Album erzählen.

M. Seeliger: Das Album ist seit 5 Jahren in Arbeit. Ich habe der CD viel Zeit gelassen sich zu entwickeln. Ich hab das Album mit sehr unterschiedlichen Musikern eingespielt, weil ich mir überlegt habe wer für die einzelnen Songs die ideale Besetzung ist! Es ist für mich total spannend mit solch einer Vielfalt an Musikern zu arbeiten, und sehr bereichernd mit so guten und kreativen Musikern zu arbeiten. Die Songs bedienen ganz unterschiedliche Stile und Stimmungen und der rote Faden, der diese Songs miteinander verbindet, liegt natürlich auch ganz klar bei mir und meinen persönlichen Erfahrungen. Es sind zum Teil ganz alte Songs, den Song „Friends“ habe ich vor 25 Jahren das erste mal aufgenommen in einer Sessionnacht hier in München.
Bei einem noch älteren Song hat mich meine Frau Angelika Vizedum auf die Idee gebracht wie man diesen Song arrangieren kann. Der hat z.B. das Einfache und das Komplexe in sich vereint. Es sind sehr komplexe Harmonien und sehr komplexe Rhythmik am Anfang und wird dann immer einfacher.
Es sind Worldmusikeinflüsse mit drin, arabische Einflüsse, es spielt ein Oudspieler mit. Das Titelstück (Remember your dreams) ist mit Didgeridoo wo ich einen ethnischen Sound umgeben möchte mit Jazz Improvisationen und Blues.
Ich bin halt einfach auch auf der Suche nach Musikern, die diese Vielfalt auch interessiert. Ich glaube dass es Zeit ist die Vielfalt auf dem Planeten wieder zuzulassen und zu leben, und das wird hoffentlich diese CD ausdrücken.




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